Die Story, Szenen und Songs
Erster Akt
Nach einem kurzen Prolog bietet die „Ouvertüre“ Raum, im Deutschen Theater anzukommen, sich auf eine spannende und lebendige Geschichte einzulassen sowie ganz nebenbei anhand eines vielseitigen Orchesterarrangements verschiedene musikalische Motive der eigens für das Musical komponierten, mitreißenden Lieder kennenzulernen. Basierend auf historischen Elementen tauchen wir ein in eine moderne Interpretation der Figuren, die sich sowohl einer Vielzahl von Zitaten ausgewählter Originalliteratur als auch gewöhnlicher Sprache und verschiedenen Dialekten bedienen. Gemeinsam begeben wir uns ins 19. Jahrhundert und begleiten LUDWIG I. und seine Ehefrau THERESE durch die Zeit. Zum „Gloria – quoniam tu solo sanctus“ heiratet das Paar mitten in München und läutet mit einem anschließenden „Walzer“ die höfischen Tänze und mehrtägigen Feierlichkeiten in der Stadt ein. Wir lernen Ludwig bei seinen unbeholfenen Versuchen des Dichtens kennen, indem er für Therese ein Lied schreiben möchte. Nur durch die rettenden Einfälle seines Beraters SERGIO, der als Wertevertreter von Leidenschaft und Abenteuerlust fungiert, entsteht ein berührendes Liebeslied „Canzone della Gondola“, das Ludwig Therese kurzerhand als sein eigenes präsentiert. Ergänzt durch die kritischen Kommentare und diversen Gedichtausschnitte von HEINRICH HEINE erhalten wir während des Stücks durchgehend unterschiedliche Perspektiven auf das damalige Geschehen, das gesellschaftliche Leben und die politische Situation. Den Anfang macht Heine hierbei mit einem Teil seiner ironischen Lobgesänge auf König Ludwig. Ergriffen von Ludwigs schönen Zeilen als Hobbydichter freut sich Therese auf ihr neues Leben an Ludwigs Seite. Unterstützt von ihrer KAMMERZOFE macht sie sich in „Part of my life“ bereit für das große Pferderennen anlässlich ihrer Hochzeit, der Geburtsstunde des Oktoberfests auf der Theresienwiese. Nach einem schwungvollen „I liabs in Minga“ von den Festgästen aus aller Welt stellen sich die fünf Löwen in der Gestalt der treuen Berater des Königs noch einmal einzeln vor – als symbolische Vertreter der vorherrschenden Werte am damaligen Königshof. Neben Frauenheld Sergio begegnen wir dem Feinschmecker und Künstler JEAN-LUC, dem Dichter und Denker HELIOS sowie SEPP und HANSI, die für Traditionen stehen. Spätestens hier wird Ludwigs Sehnen nach anderen Frauen, Einfluss und Macht deutlich, indem er von den Löwen hören möchte, wie er sich in München unsterblich machen kann. Einen ersten Eindruck von der BAVARIA erhalten wir musikalisch mit dem Song „Bavaria – Hüterin von Raum und Zeit“. In ihrer Funktion der personifizierten Zeit schickt die Bavaria die fünf Löwen auf eine „Zeitreise“ in die Zukunft, 100 und 200 Jahre weit. Vielleicht können sie so die beste Antwort auf die Frage des Königs für sich finden... Während die Löwen in die Zukunft reisen, gehen wir mit der Bavaria Jahr für Jahr durch die Zeit in München, stets karikiert von den poetischen Einwürfen Heines aus König Langohr I. Angefangen von der Krönung des Königs in „Mein König, mein König“ aus dem Munde des KAMMERDIENERs im Jahr 1825, erleben wir den Beginn der Errichtung der „Galerie de Beauté“ im Nymphenburger Schloss, musikalisch dargeboten von der Königstochter ALEXANDRA. Als eine Art Vorgriff auf die spätere Zeit erhält LOLA MONTEZ anhand eines spanisch klingenden Motivs bereits hier ihren Platz in der Schönheitsgalerie, deren berühmtes Gemälde sicherlich viele von Ihnen kennen. Wir entdecken so manchen bahnbrechenden Beschluss des Königs, wie die Bewilligung des öffentlichen Ausschanks für das Volk, über den sich der Kammerdiener im Rahmen seines „Blues im Hofbräuhaus“ am allermeisten freut. Aufgrund Ludwigs zahlreichen Affären währt das junge Eheglück nicht lang. Fortan besinnt sich die hochgebildete Therese auf ihre politischen Aufgaben als Königin, die Geschicke des Landes mitzulenken, während Ludwig immer häufiger auf Reisen geht und seine eigenen Interessen verfolgt. Auch das gelungene Familienleben mit den vielen Kindern ist einzig Therese zu verdanken, was in „If you only let me“ von der Tochter ADELGUNDE entsprechend vertont wird. Den Abschluss des ersten Akts bildet die Zeitreise von Sergio und Jean-Luc in ein München im Jahr 1924. Beide entdecken auf den Stufen der Feldherrnhalle, dass es die Architektur sein wird, durch die König Ludwig I. in München unvergessen bleibt. In den „Golden Twenties“ erfahren sie schließlich etwas über den Preis und Gewinn von Reichtum und Freundschaft und finden sich nach ihrem Besuch „Am Viktualienmarkt“ in einem Münchner Gymnasium vor 100 Jahren wieder, wo noch Zucht und Ordnung herrscht, oder was wollen uns die Ludwigsbuam mit ihrem „Varietas delectat“ sagen?
Zweiter Akt
Analog zur Zeitreise von Sergio und Jean-Luc, reisen wir zu Beginn des zweiten Akts mit Sepp, Hansi und Helios in ein München der Zukunft und landen auf den Stufen der Feldherrnhalle im Jahr 2024. Die drei stellen fest, dass es die Architektur sein wird, die König Ludwig I. in München unvergessen macht, ehe auch sie uns zu einem Münchner Gymnasium führen. Während dort in der Chorprobe fleißig über den idyllischen Ort der jährlichen Chorfahrt „Josefstal“ im bayerischen Oberland gesungen wird, hält die Klasse ihren LEHRER im Griechischunterricht ordentlich auf Trab. Virtuos äußert die Schülerin ROBIN in „Brainfire“ ihren Unmut über die hohen Leistungsanforderungen in der heutigen Schule. Die Klasse stärkt ihr tanzend den Rücken. Bücherwurm Helios erkennt schnell, welchen technischen Fortschritt die Zukunft mit sich bringt. In seinem Wunsch, dem König die ungeahnten Möglichkeiten der Digitalisierung zeigen zu können, sichert er sich ein Smartphone, wobei er sich dabei gehörig vom Lehrer übers Ohr hauen lässt. Sepp und Hansi hingegen staunen nicht schlecht, als sie die vielen Mädchen in der Klasse sehen! Und niemand trägt hier Schuluniform! Ihr traditionelles Rollenbild wird reichlich auf die Probe gestellt. Doch am Ende profitieren sie am eigenen Leib von den Vorteilen eines gleichberechtigten Zugangs zur Bildung für alle Menschen. Zurück im 19. Jahrhundert erreicht Lola Montez die Stadt München und bewirbt sich provokant mit ihrem Tanz in „Ja, die Liebe“ beim Münchner Hofintendanten um ein Engagement. Als er sie abweist, gelingt es Lola, Ludwig selbst sofort in ihren Bann zu ziehen und seine Gunst zu gewinnen. In „Halt jetzt das Glück“ ist es vollends um ihn geschehen. Lola wird Ludwigs wohl bekannteste Geliebte und zugleich verhängnisvollste Affäre, wie Heine anhand zweier Strophen seines hier eingepflegten Gedichts Die Loreley entsprechend kommentiert. Schmerzlich sieht Therese dabei zu, wie rauschhaft sich Ludwig in Lola verliebt und sich dabei immer weiter von ihr, der Königin, entfernt. Vor ihrer Kammerzofe lässt sie in „Note to you“ ihren Emotionen freien Lauf. Derweil kehren die Löwen aus der Zukunft zurück und berichten dem König von ihren Erlebnissen. Jeder von ihnen will ihm die beste Antwort bringen auf seine Frage, wie er in München auf ewig unvergessen bleiben wird. Kaum haben sie ihm von der Architektur als Schlüssel zur Unsterblichkeit erzählt, ruft er seine Hofarchitekten Leo von KLENZE und Friedrich von GÄRTNER in „Klenze vs. Gärtner“ zum Wettstreit auf. Stück für Stück baut Ludwig eine neue Stadt – sein Isar-Athen. Zudem schafft er Kunstschätze aus Griechenland heran. In „Kunstraub“ dämmert es Helios allmählich, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Und so beginnen sich auch innerhalb des Landes zunehmend mehr Stimmen gegen den liebestrunkenen Monarchen zu erheben – nicht zuletzt die der Königin selbst. Während Ludwig immerfort drastisch an Therese gespart hat, verhält er sich Lola gegenüber geradezu verschwenderisch. Nach all den Skandalen kann sie ihm nicht mehr verzeihen. Voller Neid und doch Bewunderung beäugen sich Therese und Lola in ihrem Duett zweier starker Frauen „I look at her“ kritisch sowie anerkennend für die individuelle Stärke und Besonderheit der jeweils anderen. Bisweilen wurde Heine ein Publikationsverbot erteilt. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft und seiner politischen Einstellung stets angefeindet, verlässt er seine Heimat, was er uns in „An meine Mutter“ auch musikalisch näherbringt. In der Hoffnung auf ein besseres Leben In der Fremde kehrt er der Bühne in Deutschland wortwörtlich den Rücken zu und agiert fortan aus dem Pariser Exil heraus. Die Proteste gegen den König werden im Land immer lauter. Als das Volk auf die ihm verhasste falsche Spanierin Lola öffentlich losgeht, gerät Ludwig gewaltig unter Druck. Hin- und hergerissen zwischen den Fronten entscheidet er sich zunächst dafür, Lola zu schützen, und stellt sich kurzzeitig gegen das Volk, wofür ihm die Worte Heines aus König Langohr I. in den Mund gelegt werden. Schließlich kommt es zu weiteren Ausschreitungen, die Ludwig in die Knie zwingen und zur Ausweisung Lolas veranlassen. Heine kommentiert diese Zeit in der Revolutionsfuge „Denk ich an Deutschland in der Nacht” mit Textpassagen aus seinen Nachtgedanken. Lola flieht in die Schweiz. Zu viert interpretieren Heine, Ludwig, Therese und Lola den Vierzeiler Heines Anfangs wollt ich fast verzagen und reflektieren dabei ihre jeweils ganz individuelle Situation. In „Steter Kampf“ hadert Ludwig mit sich und dem Leben, ehe er sich zur Abdankung entschließt. An diesem Punkt bleibt Lola nur noch eine „Ungewisse Zukunft“ – ohne Ludwig. Den krönenden Abschluss bildet die denkwürdige Enthüllung der Bavaria im Jahr 1850. In der „Reprise Bavaria – Hüterin von Zeit und Raum“ begreifen die fünf Löwen, welche Auswirkungen ihr unbewusstes Handeln haben sollte, getrieben vom Wunsch, der Beste zu sein, um auf eh und je selbst an Bavarias Seite zu thronen. Die Löwen erkennen, dass sie auf ihrer Reise in die Zukunft noch viel mehr für sich mitgenommen haben als nur die Antwort für den König: Sie haben sich gewandelt. Miteinander. Durch die Zeit. Als sie beginnen, die Dinge auf ihre eigene Weise zu betrachten, und gewohnte Denkmuster durchbrechen, ist der Grundstein für ein „Modernes München“ gelegt. Ein Musical für Toleranz, Vielfalt und Freiheit in einer Weltstadt mit Herz.
- Leonie Hundertmark
Ausschnitte aus den Gedichten von Heinrich Heine in der Reihenfolge, wie sie im Musical vorgetragen werden:
„Das ist Herr Ludwig von Baierland, Desgleichen gibt es wenig; Das Volk der Bavaren verehrt in ihm Den angestammelten König. ... Herr Ludwig ist ein großer Poet Und singt er, so stürzt Apollo Vor ihm auf die Kniee und bittet und fleht: Halt ein! Ich werde sonst toll, O!“ (Lobgesänge auf König Ludwig)
„Mein Hofpoet hat ein Gedicht Auf mich gemacht, worin er spricht: ›Wie angeboren dem Kamele Der Buckel ist, ist deiner Seele Die Großmut des Löwen angeboren‹“ ... Sie „wird mir einen Kronerben bescheren. Ihr seht“ ... sein „Name wird nicht untergehn, Wird ewig in Klios Annalen bestehn. Die hohe Göttin wird von mir sagen, Daß ich ein Löwenherz getragen“ (König Langohr I.)
„Bei der Königswahl, wie sich versteht, Hatten die Esel die Majorität, Und es wurde ein Esel zum König gewählt. Doch hört, was jetzt die Chronik erzählt: Der gekrönte Esel bildete sich Jetzt ein, daß er einem Löwen glich; Er hing sich um eine Löwenhaut, Und brüllte wie ein Löwe so laut“ (König Langohr I.)
„Die Künste beschütz ich; man muß gestehn, Ich bin zugleich August und Mäzen. Ich habe ein schönes Hoftheater; Die Heldenrollen spielt ein Kater.“ (König Langohr I.)
Und dann hat er „die folgende Rede gehalten: »Hochmögende Esel, ihr jungen und alten! Ihr glaubt, daß ich ein Esel sei Wie ihr, ihr irrt euch, ich bin ein Leu; Das sagt mir jeder an meinem Hofe, Von der Edeldame bis zur Zofe.«“ (König Langohr I.)
„Als diese Rede der König gehalten, Da jauchzten die Esel, die jungen und alten; Sie riefen einstimmig: »I-A! I-A! Es lebe der König! Hurra! Hurra!«“ (König Langohr I.)
„Den Schiffer im kleinen Schiffe ergreift es mit wildem Weh; er schaut nicht die Felsenriffe, er schaut nur hinauf in die Höh. Ich glaube, die Wellen verschlingen am Ende Schiffer und Kahn; und das hat mit ihrem Singen die Lore-Ley getan.“ (Die Lore-Ley)
„Ich bin’s gewohnt den Kopf recht hoch zu tragen, Mein Sinn ist auch ein bischen starr und zähe; Wenn selbst der König mir in’s Antlitz sähe, Ich würde nicht die Augen niederschlagen.“ (An meine Mutter)
„Es treibt dich fort von Ort zu Ort, Du weißt nicht mal warum; Im Winde klingt ein sanftes Wort, Schaust dich verwundert um. ... Doch weiter, weiter, sonder Rast, Du darfst nicht stillestehn; Was du so sehr geliebet hast, Sollst du nicht wiedersehn.“ (In der Fremde)
„»Hochmögende Esel, Ihr jungen und alten! Ihr seht, ich kenne euch! Ungehalten, Ganz allerhöchst ungehalten bin ich, Daß ihr so schamlos widersinnig Verunglimpft habt mein Regiment. Auf eurem Eselsstandpunkt könnt Ihr nicht die großen Löwenideen Von meiner Politik verstehen Nehmt euch in acht! In meinem Reiche Wächst manche Buche und manche Eiche, Woraus man die schönsten Galgen zimmert, Auch gute Stöcke. Ich rat euch, bekümmert Euch nicht ob meinem Schalten und Walten! Ich rat euch, ganz das Maul zu halten! ... Das hab ich euch, Esel, einschärfen wollen! Jetzt könnt ihr euch nach Hause trollen.«“ (König Langohr I.)
„Ich hatte einst ein schönes Vaterland. Der Eichenbaum Wuchs dort so hoch, die Veilchen nickten sanft. Es war ein Traum.“ (In der Fremde)
„Denk ich an Deutschland in der Nacht, Dann bin ich um den Schlaf gebracht, Ich kann nicht mehr die Augen schließen, Und meine heißen Tränen fließen.“ (Nachtgedanken)
„Anfangs wollt ich fast verzagen, Und ich glaubt’ ich trüg’ es nie, Und ich hab’ es doch getragen, – Aber fragt mich nur nicht, wie?“ (Anfangs wollt ich fast verzagen)